"Selbstbestimmte Geburt: Dein Weg zu einer natürlichen und selbstbewussten Geburtserfahrung"

"Selbstbestimmte Geburt: Dein Weg zu einer natürlichen und selbstbewussten Geburtserfahrung"

Gastbeitrag von Katharina Tolle.

Selbstbestimmte Geburten gibt es überall

Eine selbstbestimmte Geburt kann immer und überall stattfinden, denn Selbstbestimmung ist unabhängig davon, mit wem, wo oder in welcher Art du dein Kind zur Welt bringst. Es geht darum, dass du als Gebärende entscheidest, was passiert. Dann ist die Geburt selbstbestimmt. Das bedeutet nicht, dass du bewusst entscheidest, nach wie vielen Stunden Wehen die Fruchtblase platzt. Ich meine viel mehr, dass du entscheidest, ob und wie während der Geburt eingegriffen wird. Dieses Selbstverständnis ist der Kern einer selbstbestimmten Geburt.

Im konkreten Fall heißt das, dass die Gebärende die Erstmeinung vertritt, das medizinische Personal die Zweitmeinung. Häufig vergessen wir, dass wir als Gebärende auch eine valide Meinung haben -- nicht unbedingt eine medizinisch fundierte, aber "unsere persönliche Wahrheit".
Eine selbstbestimmte Geburt kann sowohl ein Kaiserschnitt sein als auch eine Geburt im Krankenhaus mit medizinischer Unterstützung oder eine außerklinische Geburt. Wichtiger als der Ort ist, dass niemand über deine Grenzen hinweg handelt und du immer gefragt wirst sowie eine informierte Einwilligung gibst. Geschieht dies nicht, wird deine Selbstbestimmung und damit auch deine Würde als Mensch missachtet.

 

Das überlasse ich den Profis

In unserer modernen Gesellschaft spielt Selbstbestimmung eine große Rolle, doch in der Geburtshilfe überlassen viele Menschen die Entscheidungen schnell den Profis.
Manchmal wird argumentiert, dass es bei einer Geburt nicht nur um das Leben der Gebärenden, sondern auch um das des ungeborenen Kindes geht. 'Hauptsache gesund' wird oft als Rechtfertigung für Interventionen genutzt. Doch das stellt infrage, ob die werdende Mutter nicht ebenfalls die Gesundheit des Kindes will. Damit ist diese Frage meist vollkommen unangemessen und baut einfach nur Druck auf. Das Ziel sollte es schließlich sein, die Gesundheit des Babys wie auch die Selbstbestimmung der Mutter zu wahren.
In Deutschland haben wir das Glück, viele gut ausgebildete Ärzte und Hebammen zu haben. Leider arbeiten diese oft in einem System, das sie nicht optimal darauf vorbereitet, dich individuell zu begleiten, denn ihre Ausbildung basiert oft auf Statistiken und Mittelwerten. Weichst du von der Norm ab, kann es sein, dass ihre erlernten Methoden nicht mehr zutreffen.

Wichtige Fragen, die du dir stellen solltest, wenn du Profis involvieren möchtest, sind: 
  • Kennen die Profis dich und wissen, was dir wichtig ist? 
  • Haben sie genug Zeit für dich? 
  • An welche Regeln sind sie gebunden? 
  • Respektieren sie deine Wünsche? 
Wenn diese Punkte erfüllt sind, kann die Unterstützung durch Profis, so wie es bei den Geburten meiner Kinder war, sehr hilfreich sein.

 

Vorbereitung auf eine selbstbestimmte Geburt

Wenn du dich auf eine selbstbestimmte Geburt vorbereiten möchtest, ist es wichtig, zu wissen, an welchen Orten du dich wohlfühlst, in wessen Gesellschaft du dich wohlfühlst, was du unter der Geburt willst und warum dir genau dieser Aspekt wichtig ist. Informiere dich über den Geburtsablauf, Standardprozeduren im Krankenhaus und deine Rechte während der Geburt. Dies sind wichtige Schritte zur persönlichen Selbstbestimmung.

 

 

Ein Geburtsplan

Eine Möglichkeit, sich bereits vor der Geburt mit deinen Wünschen auseinanderzusetzen, ist ein Geburtsplan. Im Internet findest du viele Vordrucke für Geburtspläne, die eine gute Grundlage bieten, um herauszufinden, welche Aspekte für dich wichtig sind und welche nicht. Achtung: Drucke auf keinen Fall einen vorgefertigten Plan aus, kreuze einfach an und gib ihn in der Klinik ab. Das vermittelt den Eindruck, dass du dich mit deinen Bedürfnissen und Wünschen nicht beschäftigt hast.

Sobald du weißt, welche Aspekte dir wichtig sind, erstelle deinen eigenen Geburtsplan. Du kannst das handschriftlich oder am Computer machen. Wichtig ist, dass der Plan kurz und bündig ist. In einem hektischen Krankenhausalltag wird niemand Zeit haben, einen langen Aufsatz zu lesen. Schreibe das Allerwichtigste ganz nach oben, um sicherzustellen, dass dieser Punkt Beachtung findet.

Nimm deinen Geburtsplan zum Vorbereitungsgespräch in die Klinik mit. Idealerweise wird das medizinische Personal diesen nutzen, um dich besser kennenzulernen und deine Wünsche zu verstehen. Wenn jedoch dein Geburtsplan abgelehnt wird oder man sich über deine Wünsche lustig macht, solltest du überlegen, ob dies der richtige Ort für die Geburt deines Kindes ist.

Auch wenn viele Kliniken bestimmte Aspekte als Standardprozeduren bezeichnen, hast du die Wahl, ob du diese durchführen lassen möchtest oder nicht. Vor der Geburt kannst du bereits die Art der Schwangerschaftsvorsorge (zum Beipsiel auch abwechselnd durch Gynäkologe und Hebamme) und den Geburtsort (auch wenn es hier praktische logistische Einschränkungen gibt) bestimmen. Während der Geburt kannst du zum Beispiel folgende Dinge bestimmen: ob dir ein Zugang gelegt wird, welche Schmerzmittel du bekommst, ob die Geburt eingeleitet wird, ob ein CTG vorgenommen wird, ob eine Muttermundmessung stattfinden soll, ob die Fruchtblase gesprengt werden soll, und ob du einen Kaiserschnitt möchtest. Nach der Geburt kannst du entscheiden, ob du stillen möchtest oder ob dein Baby Fläschchen bekommt. Auch die Frage Schnuller oder nicht liegt ganz bei dir!.

Das Wichtigste beim Geburtsplan ist die Kommunikation. Erstelle eine interne Version, in der du alles aufschreibst, was dir in den Kopf kommt. Verwende dafür die Vordrucke als Ideengeber. Aus dieser internen Version erstellst du dann eine externe Version, die kurz und bündig ist und das Wichtigste zuerst erwähnt. Diese externe Version besprichst du mit dem medizinischen Personal und auch mit deinen nichtmedizinischen Begleitpersonen. Diese können im Zweifelsfall dafür sorgen, dass deine Wünsche eingehalten werden.

 

Systemischer Wandel für selbstbestimmte Geburten

Selbstbestimmung in der Geburtshilfe basiert auf zwei Säulen: persönliche Vorbereitung und systemischer Wandel. Es reicht nicht, wenn sich jede Schwangere individuell vorbereitet. Wir brauchen ein System, in dem selbstbestimmte Geburten die Norm sind. Änderungen bei Zeit, Kosten und Personal sind notwendig, damit Profis dich bestmöglich unterstützen können. Wir müssen auch darüber nachdenken, warum die Würde der Mutter während der Geburt oft in den Hintergrund rückt. Dies erfordert historisches Aufarbeiten und kann nicht von heute auf morgen passieren.

Wenn du mehr über diesen notwendigen systemischen Wandel erfahren möchtest, lies gerne mein Manifest für eine selbstbestimmte Geburtskultur. Hier gehe ich detailliert auf die Änderungen ein, die unsere Geburtskultur braucht, um systematische Verbesserungen im Sinne selbstbestimmter Geburten zu erreichen.

 

Über die Autorin

Katharina Tolle ist der Meinung, dass jede Schwangere das Recht hat, bestärkt aus der Geburt zu gehen. Dafür ist Selbstbestimmung ein wesentlicher Faktor, der leider häufig mit dem Argument "Hauptsache gesund" untergraben wird. Dagegen setzt sie sich als Aktivistin ein und hilft Familien dabei, die Geburten ihrer Kinder in Buchform festzuhalten.

Link zur Website: www.ichgebaere.com

Schau gerne auch mal bei Facebook oder Instagram vorbei. Wir verlosen dort 5 Bücher "Manifest für eine selbstbestimmte Geburtskultur" von Katharina Tolle. 

 

 

Fotocredit: Steffi Rose, Foto von Rebekah Vos auf Unsplash, freepik.com
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