Ein Gastbeitrag von Sandra von Ehrenstein.
Wie wollen wir unser Kind erziehen?
Früher oder später stellt sich jedes schwangere Paar die Frage: „Wie wollen wir unser Kind erziehen?“ Müssen wir überhaupt erziehen oder geht es nicht auch unerzogen?
Lange bevor ich Mama wurde, hatte ich in meinem Kopf eine genaue Vorstellung: Erziehung ist doch einfach. Das machen so viele. Das kann ich bestimmt auch. Ich werde eine liebevolle Mama sein, die niemals schimpft. Bin ja schließlich voll in meiner Mitte. Zen.
Ich wollte nicht ins Bett schicken, bocken lassen, die Hörner ansprechen, mich mit allen Mitteln durchsetzen, täglich Machtkämpfe austragen.
Egal was ich auch von anderen hörte, tat ich ab mit: „bei meinen Kindern wird das anders.“ Als ich frisch Mama wurde, nahm ich mir dann vor, es definitiv anders zu machen als meine Eltern.
Ich wurde Mama und alles war neu. Ich wusste gar nichts. Es fühlte sich an wie ein harter Aufschlag. Ich nahm von Dritten alles auf, was sie mir als „gut gemeinte Ratschläge“ mitgaben.
Und verlor immer mehr das Vertrauen in meinen Mama- Instinkt.
Heftige Gefühle
Zusätzlich schaffte es mein Baby, mich an den Rand der Verzweiflung zu bringen. Ich meine, wirklich heftige Gefühle, die ich (vermeintlich) nicht kannte. Das ging schon los, wenn ich Aufgaben zu erledigen hatte, wobei mein Baby nicht dabei sein kann. Alleine auf der Krabbeldecke? Nöö? Mama! Es heulte…und ich kam zu nix. Das hat mich echt wütend gemacht. Ich war plötzlich jeden Tag am Schimpfen.
Nun weiß ich, dass das Baby nicht macht, um mich zu ärgern, sondern weil es die Bindung zu mir will. Es will bei mir sein, weil es mich braucht. Das zu wissen hat mir dabei geholfen es nicht mehr so verbissen sehen. So konnte ich mich auf die Lösung an sich konzentrieren anstatt mein Baby verantwortlich zu machen. Also nahm ich ihn in die Trage oder im Laufgitter mit die Küche.
Dein Baby schimpft und weint, weil es etwas machen will, was es noch nicht kann. Das wird mit wachsender Mobilität immer mehr zum Thema werden. Lässt du dein Baby selbst probieren, so wird es das irgendwann alleine können. Es wird animiert sein, es zu versuchen, bis es klappt. Ich weiß, es ist unheimlich schwer, unangenehme Gefühle auszuhalten. Und vor allem bei deinem geliebtem Baby. Mitfühlen ist nicht mitleiden.
Für den Anfang hilft Verstehen
Für den Anfang hilft dir eine Änderung deiner Haltung. Zu verstehen, was hinter dem Verhalten deines Babys steckt: Dein Baby kommt mit einer eigens entstehenden Motivation zum Lernen und Wachsen auf die Welt.
Alle Eltern kommen irgendwann an dem Punkt, wo ihr kleines süßes Baby in ihnen unangenehme Gefühle auslöst, die sie überhaupt nicht empfinden möchten. Ich wollte nicht wütend werden. Wo kam das auf einmal her? Elterliche Aggressionen sind bislang ein Tabuthema. Eltern selbst wollen diese Gefühle lieber unterdrücken. Das fiese an unterdrückten Gefühlen ist allerdings, dass sie bleiben, wo sie sind. Meine Wut wurde nicht besser oder weniger…eher mehr.
Gefühle machen uns Angst. Wenn wir sie wahrnehmen, meinen wir sie zu verstärken. „Ich kann doch mein Kind nicht weinen lassen“ aber genau das Gegenteil ist der Fall: Gefühle wollen gefühlt werden und gehen dann weg. Wenn wir Gefühle sein lassen, verlieren sie ihren angsteinflößenden Charakter.
Viele Eltern erschrecken vor sich selbst und schalten ab. Dann verlieren sie die Verbindung zu sich selbst und ein Teufelskreis beginnt.
Mache ich das richtig?
Warum hört mein Baby nicht auf zu weinen?
Wieso sagt mein Kleinkind andauernd nur Nein?
Wieso macht mein Kind genau das Gegenteil von dem was ich will?
Und wieso in aller Welt schimpfe ich den ganzen Tag?
Hilflosigkeit macht Angst aus Angst wird Wut und aus Wut wird Aggression.
Es gibt so viele Dinge, die ich gern vorher gewusst hätte. Einfach um vorbereitet zu sein.
Hätte ich vorher gewusst, was auf mich zu kommt, wäre ich trotzdem reingerauscht. Nur hätte Tatendrang statt Verzweiflung geherrscht. Mut statt Angst. Gewissheit statt Zweifel. Die unpassenden Ratschläge hätte ich identifiziert, nicht angenommen und so mein sensibles Mamaherz geschont.
So ganz tief in sich drin fühlt man sich deswegen schlecht. Ungenügend. Hilflos. Unwissend.
Wie kriege ich das weg? Ich habe 2 Möglichkeiten:
1️⃣ ich lege den Fokus nach außen: „doktore“ an dem mir unangenehmen Verhalten meines Kindes rum. Aus meiner Unsicherheit wird Dressur.
2️⃣ ich lege den Fokus nach innen: schaue mir an, was das Verhalten meines Kindes in mir auslöst, finde die Ursachen und heile sie. Aus meiner Hilflosigkeit wird Verbindung.
Als systemischer Elterncoach stehe ich Eltern bei, die sich für 2️⃣ entscheiden. Entscheiden, sich zu heilen, verbunden mit sich selbst und ihrem Kind.
Niemand kann dir sagen, wie du es „richtig“ machst. Kinder wollen keine perfekten Eltern, sie wollen lernen. Wir Eltern lernen mit unseren Kindern. Das Wort „Fehler“ heißt neu sortiert „Helfer“. Und so sehe ich es: Fehler sind gut. Sie zeigen uns, woran wir arbeiten sollen, um es das nächste Mal besser zu machen. Wir wachsen über uns hinaus.
Das was dein Herz sagt
Und wenn du wissen willst, welcher Erziehungsweg der einzig richtige ist, dann verrate ich ihn dir jetzt: D e i n e r.
Das, was dein Herz sagt. Nicht das, was andere dir sagen. Nicht das, was andere meinen was das richtige für dein Kind wäre.
Wie kommst du dazu, deiner Intuition zu vertrauen? Ich empfehle, dir Wissen anzueignen, welches dich ermächtigt deinem Herzen zu folgen.
Den Weg, der mich fand, war die ganze Zeit da. In mir. Er entstand, indem ich ihm ging. Er entstand, indem ich im Einklang mit mir selbst war und wusste, was mir wichtig ist. Er entstand, indem ich anfing, ich selbst zu sein und keinem Ideal mehr hinterherrannte. Er entstand, als mir egal wurde, was Andere sagen.
Ich habe mich in meiner Wut entschieden hinzusehen. Direkt ins Gesicht. Es war hart und schmerzhaft. Nun fühle ich mich frei. In der Lage, einen kühlen Kopf zu bewahren und meinen beiden Kindern liebevoll Grenzen zu setzen.
Hätte ich vorher gewusst, wo es lang geht, wäre ich viel eher die glückliche, gelassene Mama gewesen, die ich heute bin. Hätte ich das Wissen damals schon gehabt, wäre ich für mein 1. Baby auch schon viel früher die Mama gewesen, die ich heute für beide Kinder bin.
Über die Autorin:
Sandra von Ehrenstein ist 34 Jahre und Mama von 2 Kindern. Sie hat sich letztes Jahr mit MamiMi-Coaching in die Selbstständigkeit gewagt. Als systemische Coachin unterstützt sie Eltern mit Babys und Kleinkindern im bindungs- und bedürfnisorientiertem Bereich der Kindererziehung; vor allem, wenn es darum geht, Eltern zu ermöglichen, die Liebe für ihre Kinder auch in stressigen Situationen in liebevolle Handlungen umzusetzen.
In ihrem Online- Kurs zur Vorbereitung auf das Elternsein, den sie zusammen mit ihrer Hebamme Brit Schönefeld erstellt hat, lernen Eltern Selbstsicherheit und Gelassenheit für den neuen Lebensabschnitt mit Baby und das Handwerkszeug sich durch schwierige Zeiten zu manövrieren.